Geschichte der Grundschule in Obertürkheim

Vor 1600

Die Anfänge des Stuttgarter Schulwesens gehen in das 14. Jahrhundert zurück. Die erste Stuttgarter Schule war 1321 in der Schulstraße untergebracht und für den Nachwuchs an geistlichen Chorherren gedacht.

In Obertürkheim wurde erstmals 1551 von Pfarrer Georg Hofmann unterrichtet - wahrscheinlich in seiner Wohnstube. Der erste Schulmeister für fast 100 Schüler wurde 1589 angestellt. Da die Gemeinde nicht vermögend war mussten die Kinder ein Schulgeld von einem Gulden jährlich zahlen.

1594 kam ein neuer Schulmeister nach Obertürkheim. Hannes Hohl versuchte sein Einkommen mit dem Mesner-, Büttel- und Schreiberdienst aufzubessern.

 

1600 – 1755 1. Schulhaus

Im Jahre 1600 wurde das Gebäude Im Mäder 4 Schulhaus. 1648 wurde die Einführung der Schulpflicht beschlossen.

1645, also gegen Ende des dreißigjährigen Krieges, ließ sich Georg Hagmann in Obertürkheim als Schulmeister nieder. Er hatte von Amts wegen nur noch die Obertürkheimer Schulkinder zu versorgen, denn Uhlbach besaß jetzt eine eigene Schule.

1692 trat ein einheimischer Weingärtner die Stelle des Schulmeisters an. Man schickte gerne seine Kinder, winters 36, sommers 16. Im Sommer hielt er nur vormittags Schule. Im Sommer brauchte man eben die Kinder daheim und auch der Lehrer war froh, in diesen Monaten mehr Zeit für seinen Weinberg zu haben. Die Behörde ordnete an, dass sommers wenigstens an zwei Tagen während der Woche voll Schule gehalten werden solle, damit die Kinder nicht alles vergessen. Manche Kinder wurden jahrelang nicht zur Schule geschickt, weil man sie daheim zur Arbeit oder zum Kinderhüten brauchte. Ihm folgte 1731 sein Sohn. Einträgliche Lehrstellen wurden vererbt.

1739 wurde auch die Sonntagsschule eingeführt. Diese „Kinderlehre“, also der kirchliche Jugendunterricht, war bis zur Heirat oder dem 24. Lebensjahr verpflichtend und wurde, wie der Name sagt, am Sonntag abgehalten.

 

1755 – 1882 2. Schulhaus

Im Jahre 1755 wurde die Schule in das Haus Uhlbacher Str. 52. Das Gebäude enthielt ein Schulzimmer und eine Lehrerwohnung. Winters brachte jedes Kind täglich ein Scheit Holz mit in die Schule.

Erst 1773 wurde das ABC-Büchlein eingeführt und Kopfrechnen geübt.

Mit Georg Jakob Beles aus Schwäbisch Hall fanden die Obertürkheimer 1767 einen gewandten und berufsfreudigen Mann, der 51 Jahre lang der Schule treu diente. 1806 waren es 126 Kinder, 67 Knaben und 59 Mädchen, die alle zur gleichen Zeit in dem einzigen Schulzimmer sitzen mussten. Er führte neue Unterrichtsfächer ein: Lesen, Schönschreiben, Sprachunterricht mit Rechtschreiben, Verstandesübungen, Rechnen war immer noch hauptsächlich Kopfrechnen, Religion und Singen waren die weiteren Fächer. Für die ärmsten Kinder wurden die Schulbücher aus einem Schulfonds gestellt.

1823 wurden Arbeitsschulen für Schulentlassene eingeführt. Hier am Ort fand man aber, dass dies für die Knaben nicht nötig sei, da sie alles von ihren Vätern lernen könnten, was sie als Weinbauern nötig hätten. Die Mädchen dagegen erhielten alle gleich nach der Konfirmation an den schulfreien Nachmittagen Unterricht. Eine Winterfortbildungsschule und eine Lesebibliothek wurden 1841 gegründet.

 

1821 – 1881 Umbau und Erweiterung des Schulgebäudes

Während Beles Dienstzeit wurde 1821 das Schulhaus umgebaut und 1842/43 für zwei Klassen eingerichtet. Als Beles Nachfolger amtierte Matthias Mayer, der 1859 in den Ruhestand trat. Er war der erste Lehrer bei uns, der in einem Lehrerseminar ausgebildet worden war. Die Gemeinde stellte dem Lehrer am Neckar ein Baumgrundstück und ein Gemüseland zur Verfügung. Erst 1914 fiel diese Vergünstigung durch die Verlegung der Bahngleise weg.

 

1838 Einführung der Volksschule

Das Schulgesetz von 1838 führte den Namen „Volksschule“ ein. Ab 1859 wurde Zeichenunterricht erteilt, ab 1874 Turnen für Knaben und seit 1877 Handarbeitsunterricht für Mädchen. Aber immer noch musste ein Drittel aller Unterrichtszeit dem Religionsunterricht gewidmet werden.

 

1891 – 1918 Allgemeine Fortbildungsschule für Mädchen

1891 wurde der Arbeitsunterricht für Mädchen bis zum 16. Lebensjahr zur Pflicht. 1895 wurde die Allgemeine Fortbildungsschule für Mädchen eingeführt. Sie wurde von 35 Mädchen bis zum 16. Lebensjahr besucht. Für die männlichen Jugendlichen galt die gewerbliche Fortbildungsschule. Sie war vom 14. bis zum 18. Lebensjahr Pflicht. Insbesondere sollte Rechnen und Zeichnen geübt werden.

 

1882 – 1907 3. Schulhaus

Die Schülerzahl stieg im Laufe des 19. Jahrhunderts stetig an. Die Kinder fanden in den zwei Klassenzimmern nicht mehr genügend Platz. 1882 wurde deshalb ein weiteres Schulhaus mit einem Aufwand von 38.000 Mark in der Uhlbacher Str. 18, am heutigen Standort, erbaut. Es enthielt zwei Schulsäle und schöne Lehrerwohnungen. Vor dem Schulhaus waren zwei Schulgärten und hinten ein großer Obstgarten, der durch den Uhlbach begrenzt wurde. Nun konnte man die Schüler in drei Klassen unterrichten:

Klasse 1 mit 116 Kindern (6 bis 10 Jahre) im alten Schulhaus

Klasse 2 mit 71 Kindern (10 bis 12 Jahre) im neuen Schulhaus

Klasse 3 mit 56 Kindern (12 bis 14 Jahre) im neuen Schulhaus

1905 kletterte die Schülerzahl auf 355. Ein neues, großes Schulhaus war unumgänglich.

Seit 1907 4. Schulhaus

Die Architekten Maas und Horlacher aus Obertürkheim lieferten die Baupläne, die die Bauunternehmer Rommel & Keller in die Tat umsetzten. Nach teilweisem Abbruch des Provisoriums von 1882/83 entstand zwischen Uhlbacher und Asangstraße ein Ge­bäude aus Sand- und Backsteinen, 45m lang, 26m breit. Der Uhlbach wurde überbaut und die Asangstraße, damals Bachstraße, angelegt. Den Haupteingang des Schulhauses schmücken ein in Stein ge­hauenes lesendes Mädchen und ein schreibender Knabe. Es kostete 245.509 Mark.

Ausstattung

Untergeschoss: Wohnung des Hausmeisters , eine Waschküche, ein Duschbad mit 12 Duschen und zwei Umkleidekabinen. Geduscht wurde unter Aufsicht des Hausmeisters alle 14 Tage. Des weiteren eine mit Kohle betriebene Heizungsanlage.

Erdgeschoss: 5 Schulzimmer, 2 möblierte Unterlehrerzimmer, ein Lehrerabort

1. Stock: 4 Schullokale, Rektorat, Lehrerzimmer, Lehrerabort und im Altbau eine Lehrerwohnung

2. Stock: 2 Schulsäle, Zeichensaal, Physiksaal, Werkunterrichtsraum und ein Lehrmittelzimmer

 

Dachstock: ein Handarbeitsraum, zwei kleine Zimmer als Unständigenwohnung, der Karzer und der Bodenraum mit Turm und Turmuhr.

Zur Uhr musste alle Tage der Hausmeister hochsteigen, um sie aufzuziehen. Waschbecken befanden sich nur auf den Gängen, im Erdgeschoss floss aus sechs Hähnen Wasser in einen steinernen Brunnen. Die Toiletten, die sich für die Schüler in einem Anbau im Hof befanden, hatten keine Wasserspülung, die Grube wurde von den Wengertern regelmäßig geleert.

Die Einweihung dieses Prachtbaus wurde am 20. Juli 1907 mit großem Programm begangen und anschließend in der „Alten Mühle“ gebührend gefeiert. Der gegen die Uhlbacher Straße gelegene Teil des Schulhauses wurde von 1907 bis 1916 als Rathaus genutzt. Auch das Rote Kreuz mit einem Arztzimmer und die Polizeistation fanden im Untergeschoss Unterschlupf.

1914 – 1918 1. Weltkrieg

1916, mitten im ersten Weltkrieg, wurde das neue Rathaus fertig. Das Schulhaus war jetzt nur noch Schulhaus. Der nötige Umbau kostete 3.700 Mark. Über 500 Kinder mussten in den Kriegsjahren in sieben Klassen unterrichtet werden. Bei Kriegsende mussten sich sechs Lehrer die Arbeit bei einer Klassenstärke von ca. 100 Kinder teilen. 1922 wurde Obertürkheim zu Stuttgart eingemeindet.

 

Klassenzimmer 1912 mit Gaslampen

1927 - 1936 Die katholische Schule in Obertürkheim

Jetzt konnte dem Ersuchen um eine katholische Schule, das schon 1912 gestellt wurde, Rechnung getragen werden. Die katholischen Kinder mussten bisher mit dem Zug nach Esslingen fahren und dort die katholische Weißenhofschule besuchen. Als die katholische Bevölkerung 1921 auf ca. 90 Familien anwuchs, musste dem gesetzlichen Anspruch auf eine katholische Schule, der ab 60 Familien bestand, stattgegeben werden. Obertürkheim bekam aber erst 1927 eine zweiklassige katholische Schule in der heutigen Mirabellenstraße gegenüber der katholischen Kirche. Die Schule bestand bis zur Einführung der Gemeinschaftsschule im Jahre 1936.

1939 - 1945 2. Weltkrieg

Im zweiten Weltkrieg wurden vier Lehrer eingezogen, so dass der Betrieb nur unter mancherlei Schwierigkeiten und Unregelmäßigkeiten weitergehen konnte. Bei Voralarm wurden die Schüler, soweit sie nicht nach Hause wollten, in den Bunker in der Mirabellenstraße geführt, der sehr gut ausgebaut und eingerichtet war. Durch die ständig an Heftigkeit zunehmenden Luftangriffe evakuierte man die Schule aufs Land. Nur noch ca. 200 Uhlbacher und Obertürkheimer wurden im Obertürkheimer Schulhaus unterrichtet. Nach den Sommerferien 1944 wurde der Schulbetrieb wegen höchster Luftgefahr ganz eingestellt.

Während des Krieges bot die Schule vielen Gästen Unterschlupf:

  • der Rettungsstelle des Sicherheits- und Hilfsdienste
  • einem Arztzimmer mit Verbandsraum und Totenkammer
  • der gesamten Gemeindeverwaltung, da das Rathaus zerstört war
  • der Polizeistation
  • Obdachlosen
  • zur Hilfestellung eingesetzten SA-Verbänden
  • der Verpflegungsstelle für Fliegergeschädigte

1945 - 1963

Am Sonntag, dem 22. April 1945, zogen gegen Abend die Amerikaner in Obertürkheim ein. Die Militärregierung verbot die Benützung der seitherigen Lehrbücher. Die Arbeit wurde durch einen Mangel an Lernmitteln, wie Heften, Stiften usw. erschwert.

Das Leben normalisierte sich, die Schülerzahlen stiegen weiter von Jahr zu Jahr an. Die Uhlbacher Schüler der 7. und 8. Klasse gingen schon länger in Obertürkheim zur Schule. Jetzt sollten auch die 5. und 6. Klassen nach Obertürkheim geschickt werden. So wurde Uhlbach im April 1957 eine reine Grundschule.

1963 Um- und Neubau

Die Schülerzahl war bis 1962 auf 363 geklettert und für 1968 rechnete man mit mindestens 650 Schüler, die die Obertürkheimer Schule besuchen würden. Der schon lange geplante Umbau war fällig und wurde 1963 mit einem Kostenaufwand von 574.000 DM auch ausgeführt. Der noch vorhandene Teil des alten Schulhauses aus dem Jahre 1883 wurde durch einen Neubau ersetzt, die unhygienische Abortanlage endlich abgerissen. Die Schule verfügte nun über zwölf Klassenzimmer, fünf Fachräume, ein Rektoratszimmer mit Vorzimmer, ein Lehrerzimmer, Nebenräume und geordnete sanitäre Einrichtungen.

Ab Ostern 1963 wurde das 9. Schuljahr eingeführt. Die Obertürkheimer Schule hatte als Grund- und Hauptschule mit 285 Grundschülern und 172 Hauptschülern im Jahre 1972 ihre volle Daseinsberechtigung. Doch die Stadt Stuttgart hatte andere Pläne. Seit der Einweihung der Steinenberg-Schule in Hedelfingen 1979 ist Obertürkheim reine Grundschule. Die Hauptschüler gingen nach Hedelfingen.

Anlässlich des 100 jährigen Jubiläums im Jahr 2007 wurden vielfältige Renovierungsarbeiten vorgenommen, die unsere Schule in neuem Glanz erstrahlen ließen. Gleichzeitig erforderten neue Brandschutzbedingungen erhebliche Umbaumaßnahmen.

2015 Ganztagesschule

Da die Grundschule Obertürkheim im Schuljahr 2015/2016 als gebundene Ganztagesschule in Klasse 1 gestartet ist, sind nicht nur organisatorische, sondern auch (wieder einmal) bauliche Veränderungen notwendig gewesen. Das komplette Dachgeschoss wurde für die Ganztagesbetreuung umgebaut. Neben einer Mensa entstand hier eine Schulküche für die Zubereitung des täglichen Mittagessens, eine Schülerküche, ein Rollenspielraum und das Büro für die Schulsozialarbeit. In den anderen Stockwerken wurden die Klassenzimmer renoviert und neu möbliert und verschiedene Themenräume entstanden. Im Zuge dieser Umbaumaßnahmen bekam die Schule auch einen Aufzug, so dass das Essen in eine der höchstgelegenen Stuttgarter Mensen geliefert werden kann und alle Räume behindertengerecht zugänglich sind.

Quelle: Festschrift zum 100jährigen Jubiläum